
Stoma-Stories.
Ende letzten Jahres bekam eine Person aus meinem Umfeld völlig unerwartet ein Stoma (künstlicher Darmausgang). Das hat mich sehr viel beschäftigt und ich habe festgestellt, dass ich zwar viele Fragen und Gedanken dazu im Kopf habe – aber überhaupt nichts darüber weiß, wie es aussieht, wie es „funktioniert“ und wie der Alltag damit aussieht. Als visueller Mensch habe ich auch nach Fotos zu meinen Fragen gesucht – und keine gefunden. Das brachte mich auf die Idee, als Fotografin selbst ein solches Projekt mit künstlerisch-dokumentarischen Fotos über den Alltag mit Stoma zu realisieren.
Von Anfang an war für mich aber ganz klar, dass ich ein solches Fotoprojekt nur anschieben werde, wenn auch betroffene Menschen es interessant, nützlich und hilfreich finden.
2 Monate später:
Ich habe eine Online-Umfrage erstellt und viele Kontakte geknüpft, um den Fragebogen zu streuen.
Verbände und Netzwerke? Befürworten das Projekt ebenfalls und wünschen sich, einige der Fotos später für ihre Arbeit nutzen zu können.
4 Monate später:
Über 100 beantwortete Fragebögen sind eingegangen.
Fast alle Teilnehmer*innen schreiben, dass sie das Projekt sinnvoll finden.
Sie teilen mit, was für Fotos sie sich wünschen, geben Feedback, Anregungen, kritische Rückmeldungen.
80 Menschen signalisieren, sie würden sich für das Projekt fotografieren lassen.
Das Projekt heißt nun „Stoma-Stories“
Dieser Name ist einer der Vorschläge aus der Umfrage, wie man ein solchen Projekt nennen könnte.
Ich beschließe, mit Freundinnen zusammen einen kleinen gemeinnützigen Verein zu gründen.
Ohne Verein können keine öffentlichen Fördergelder oder Stiftungsgelder beantragt werden.
6 Monate später:
f3 – verein zur förderung fehlender fotos e.v. ist beim Vereinsregister eingetragen.
Das Finanzamt hat den Verein als gemeinnützig anerkannt.
Es gibt eine Webseite über den Verein und seine Ziele.
Ein Fundraising auf Betterplace ist eingerichtet.
Die ersten Förderanträge sind eingereicht, weitere sind gerade in Arbeit.
Was vor ein paar Monaten eine verrückte Idee war, nimmt immer klarer Gestalt an.
Ich weiß wesentlich mehr darüber, welch unterschiedliche Grunderkrankungen zu einem Stoma führen können – von Darmkrebs und Blasenkrebs über chronisch entzündliche Darmerkrankungen bis zu
angeborenen Darmfehlbildungen.
Ich weiß, dass es unterschiedliche Arten von Stoma gibt – äußerlich und innerlich angelegt.
Ich weiß, dass manche Menschen sogar zwei Stomata haben. Ich weiß, dass es Menschen in jedem Lebensalter betrifft.
Ich weiß, bei manchen ruckelt sich der Alltag in den ersten 1-2 Jahren nach Anlage des Stomas gut zurecht und sie leben ganz entspannt damit.
Aber bei anderen kommt eine medizinische Baustelle nach der anderen und die Probleme reißen nicht ab.
Emotionale Herausforderungen und gesellschaftliche Diskriminierung und Stigmatisierung erleben wohl alle Menschen, die ein Stoma tragen.
Ich werde die Teilnehmenden zu Themen wie Arbeit, Freizeitaktivitäten, Familie, Freundschaft, Partnerschaft, Leben mit Kindern, Schwangerschaft/Kinderwunsch, Körperlichkeit, Gemeinschaft fotografieren. Und es wird Fotos geben zu Themen wie Mode mit Stoma und zu Alltagstricks und Tipps.
Es wird Bilder vom nackten Stoma (z.B. das aus der Bauchdecke herausstehende Darm-Ende) geben.
Ich werde viele Portraits von verschiedenen Gesichtern machen.
Und ich werde Portraits der Bäuche fotografieren, auf denen sich die Stoma-Geschichten mit Narben eingeschrieben haben.
Die Teilnehmenden können auch eigene kürzere Texte zu ihrem Weg und ihren Erfahrungen beisteuern.
Mit einigen Menschen, die bereit sind mir von Krisen, Zusammenbrüchen, Zweifeln, Angst, Wut und Trauer zu berichten - die auch zum Thema gehören - werde ich Audios aufnehmen. Ich finde es
wichtig, diesen Themen Raum zu geben.
Emotionale Herausforderungen lassen sich aber schwer auf dokumentarischen Fotos zeigen - vor allem sollen Menschen auf keinen Fall „ausgestellt“ werden bei einem Projekt, was danach möglichst
öffentlich werden soll.
Audios sind sehr unmittelbar, aber einfacher anonym zu halten als ein Foto.
Es ist immer sensibel, wenn Nicht-Betroffene ein Projekt zu einem „Betroffenheits-Thema“ machen.
Damit versuche ich möglichst transparent und ehrlich umzugehen.
Und deshalb ist mir die aktive Einbeziehung der Menschen, die mit einem Stoma leben, so wichtig:
- Jede Person entscheidet, zu welchen Themen er/sie sich fotografieren lassen will.
- Jede Person hat das letzte Wort, welche der Bilder, die ich aus der Fotoserie mit ihnen vorausgewählt habe, tatsächlich für das Projekt genutzt werden dürfen.
- Jede Person legt für jedes Bild fest, wo es später verwendet werden darf – auf einer Webseite des Projekts, für eine Wanderausstellung zum Thema Leben mit Stoma, für die Arbeit von Verbänden und Netzwerken aus der Selbsthilfe.
- Die Wanderausstellung wird später kostenfrei für Selbsthilfegruppen und Netzwerke nutzbar sein, wenn sie diese in ihrer Region zeigen wollen.
- Am Ende soll das Gesamtprojekt auf einer eigenen Webseite präsentiert werden.
Ich wünsche mir, dass dann möglichst viele Menschen möglichst niedrigschwellig, kostenfrei und dauerhaft Zugang zu den Fotos haben, damit das Thema auch durch meinen Beitrag sichtbarer wird.
Und ich würde mich sehr freuen, wenn ganz viele Menschen zusammen mit kleinen Beiträgen dabei helfen, dieses non-profit Fotoprojekt tatsächlich auch finanziell möglich zu machen.
Um ungefähr 80 Menschen, die teilnehmen wollen, fotografieren zu können, werde ich etwa 8 Monate lang kreuz und quer durch Deutschland reisen.
Einen weiteren Monat werde ich für die abschließende Bildbearbeitung benötigen, noch einen weiteren Monat, um die Webseite zu bauen - und dafür zu sorgen, dass diese gut bedienbar ist und es Spaß
macht, sie anzusehen.
Zum Schluss müssen auch die Ausstellungstafeln für eine Wanderausstellung noch erstellt und gedruckt werden.
Und eine Art "Fotodatenbank" für die Verbände und Netzwerke, in der sie Zugriff auf die dafür freigegebenen Bilder haben, soll auch entstehen.
Um dieses Projekt komplett umzusetzen, werde ich etwa ein Jahr brauchen.
In dieser Zeit kann ich nur sehr wenig bezahlte Aufträge annehmen.
Und auch wenn ich zu allen Teilnehmenden 2. Klasse mit der Bahn reise und nur in einfachen Pensionen oder Monteurszimmern übernachte:
natürlich fallen auch erhebliche Reisekosten und Unterkunftskosten sowie Materialkosten für die Ausstellung an.
Das alles ist nur zu schaffen, wenn Du, wenn Ihr das Projekt durch Eure Spenden unterstützt und möglich macht.
Alle Spenden für die Stoma-Stories sind steuerlich absetzbar.